Kinderschützer:innen vs. Kindeswohl

Wie wir bereits erfahren haben, sind „Kinder“, bzw. minderjährige Personen im allgemeinen, gut damit beraten, die Beine in die Hand zu nehmen, sollten sie irgendwelcher „Kinderschützer*innen“ ansichtig werden, die sich ihrer sabbelnd und grabbelnd zu bemächtigen versuchen. Denn „Kinderschützer“, das sind Perverse, das kannste dir nicht ausdenken! Anbei ein Kapitel aus Schuster, „Lexikon der Pädophilie-Irrtümer“, das eindrücklich vor Augen führt, welche Schneisen der Verwüstung „Kinderschützer*innen“ zu schlagen vermögen, was hier der tatsächliche „Kindesmißbrauch“ ist und daß es bei der nun schon Dekaden währenden schrittweisen Enthumanisierung des Sexualstrafrechts im Verbund mit Mißbrauchshysteriekampagnen nie um das Wohl der Kinder ging. Im Zentrum steht wieder einmal, sehr detailreich und komprimiert zusammengefaßt, der „Münsterraner Montessori Prozeß“ als Lehrbeispiel dafür, wie induziertes Irresein funktioniert. Dieser Irrsinn hat seither die Gesellschaft förmlich durchtränkt. Schuster zeigt eindrücklich, daß der ganze Mißbrauchshype
– als Mutation der feministischen Hysterie wegen eines angeblich epidemischen Mißbrauchs von Kindern zur „gesamtgesellschaftlichen Normalparanoia“ (Katharina Rutschky) –
eine historisch relativ junge Erscheinung ist. Gerade in der von „Rechten“ allgemein gerne verklärten „guten alten Zeit“ wurde dieses Thema, verglichen mit heute, großteils noch mit einer gewissen Nonchalance betrachtet. Es schadet also nicht, gewisse essentielle Lektionen zu wiederholen, bis es sitzt.
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Irrtum 48: „Es geht den Kinderschützern nur um das Wohl der Kinder.“
Richtig: Die Frauenbewegung hat das Thema Kindesmissbrauch häufig auf dem Rücken der Kinder als Waffe gegen die Vorherrschaft der Männer missbraucht.
In den 1950er, 60er und 70er Jahren war „sexueller Kindesmissbrauch“ kein großes öffentliches Thema in der Bundesrepublik Deutschland. Zunächst wurde das Thema „Sexueller Missbrauch“ in den USA in den 70er und 80er Jahren von der feministischen Frauenbewegung aufgebracht. Die dortigen Feministinnen engagierten sich vorher gegen Belästigungen von Frauen und gegen Vergewaltigungen in der Ehe. Dabei wurden teilweise abenteuerliche Postionen vertreten. Beispielsweise schreib Susan Brownmiller in ihrem einflussreichen Bestseller „Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft“, Vergewaltigung „ist nicht mehr und nicht weniger als eine Methode bewußter systematischer Einschüchterung, durch die alle Männer alle Frauen in permanenter Angst halten.“ (Hervorhebung im Original). Nach diesem erfolgreichen Kampf setzten sich die Feministinnen gegen Inzest zwischen Vätern und Töchtern ein und übertragen dabei das Vergewaltigungs-Modell bestehend aus Macht und Gewalt auf diesen Inzest. Psychologen beschäftigten sich anfangs überwiegend mit Gewalt und Vernachlässigung in den Familien, doch dann rückte der „sexuelle Kindesmissbrauch“ in den Mittelpunkt der Betrachtung und blieb es auch. Psychologen und selbsternannte „Kinderschützer“ übertrugen das Vergewaltigungs- und Inzest-Modell allgemein auf die Sexualität zwischen jüngeren und älteren Menschen. Aus diesem neuen Denken entstand seit den 80er Jahren die Panik der Öffentlichkeit beim Thema „sexueller Missbrauch“ und Pädophilie. Während 1978 in den USA einer von zehn Amerikanern den sexuellen Missbrauch von Kindern für ein schwerwiegendes Problem hielt, waren es 1982 neun von zehn Amerikanern. In einem feministischen Manifest von 1984 stand: „So wie alle Männer potentielle Vergewaltiger sind, so sind alle Männer potentielle Pädophile.“ Die folgende Grafik veranschaulicht das Entstehen der Missbrauchs-Hysterie.

Auch in wissenschaftlichen Zeitschriften explodierte der Themenkomplex „sexueller Missbrauch“. 1969 wurden laut der Datenbank „Psychological Abstracts“ nur sieben Zeitschriftenartikel direkt zum Thema Sexualität zwischen Minderjährigen und Erwachsenen veröffentlicht. 1989 – 20 Jahre später – waren es mindestens 250 Artikel, ein Anstieg um 3.400 Prozent. In hunderten wissenschaftlichen Studien wurde nun scheinbar belegt, dass Sexualität zwischen Minderjährigen und Erwachsenen allgemein zu schweren Schäden der Minderjährigen führt. Allerdings waren diese Untersuchungsergebnisse durch die selektive Probandenauswahl verzerrt, etwa durch die ausschließliche Befragung von Kindern mit psychischen Schwierigkeiten. Im Laufe der 80er Jahre breitete sich das Thema „sexueller Missbrauch“ über Kanada, Australien, England, Skandinavien auch nach Kontinentaleuropa aus. Mitte der 80er Jahre war das Thema in Deutschland angekommen, zum ersten Mal wurde „sexueller Kindesmissbrauch“ intensiv in der Öffentlichkeit behandelt.
Der Frauenbewegung ging es aber nicht nur und vielfach auch nicht in erster Linie um das Wohl der Kinder. Vielmehr instrumentalisierte die Frauenbewegung das Thema als ideale Waffe gegen die Vorherrschaft der Männer. Es wurden in Deutschland Beratungsstellen wie „Zart-Bitter“ und „Wildwasser“ gegründet, die sich oft einseitig und voller Vorurteile gegen die Männer und scheinbar für die Kinder positionierten. In ihrem Buch „Erregte Aufklärung“ fragte sich die Sozialwissenschaftlerin Katharina Rutschky, „ob die ganze Aufregung um sexuellen Missbrauch überhaupt der Kinder wegen angezettelt wird, oder ob nicht (…) erwachsene Frauen ganz andere Süppchen auf dem Thema kochen wollen. (…) Ist das Verfolgen der Unmoral nicht von altersher ein probates Mittel gewesen, seine Feinde schachmatt zu setzen?“ Und an anderer Stelle schreibt Katharina Rutschky zur weiteren Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland: „Die feministische Hysterie wegen der epidemischen sexuellen Gewalt gegen Kinder ist zur gesamtgesellschaftlichen Normalparanoia mutiert“.
Das Wahnhafte und die Paranoia bei der Hysterie um den „sexuellen Kindesmissbrauch“ zeigten sich in erschreckender Weise beim sogenannten Montessori-Prozess. Damit ist der erste große deutsche Gerichtsprozess zum „sexuellen Missbrauch“ von 1992 bis 1995 vor dem Landgericht Münster gegen den damals 35-jährigen Erzieher Rainer Möllers gemeint. Rainer Möllers arbeitete jahrelang in Coesfeld und in Borken in zwei Montessori-Kindergärten. Der Erzieher ist bei den Kollegen, Kindern und Eltern beliebt und gilt als sehr kompetent. Der Zusammenbruch seiner Welt beginnt am 7. November 1990. An diesem Tag treffen sich die Mutter eines vierjährigen Jungen aus dem Kindergarten und ein befreundetes Ehepaar privat. Die Ehefrau des Paares ist Vorstandsvorsitzende von „Zartbitter e.V.“ in Coesfeld, einer Beratungsstelle gegen „sexuelle Gewalt“. „Zartbitter“ will das Tabu der „sexuellen Gewalt“ brechen und den „Opfern“ bedingungslos beistehen. Eine Webseite schrieb hierzu: „Denn von den siebziger Jahren an hatte sich in den Vereinigten Staaten die feministische These entwickelt, daß Parteilichkeit die Haltung sei, mit der man auf jede Beschuldigung und jeden Verdacht sexuellen Mißbrauchs zu reagieren habe. Sexuelle Gewalt sei der Ausdruck des bestehenden Machtgefälles zwischen Mann und Frau und trage zu dessen Festigung bei. Ihm könne nur durch bedingungslose Parteinahme begegnet werden. Die Möglichkeit, daß sich Beschuldigungen gegen einen Unschuldigen richten, ist kein Thema.“
Nun soll sich bei dem Treffen vom 7. November 1990 folgendes abgespielt haben: Während sich die Mutter des Jungen kurz draußen für das Spazierengehen fertig macht, sagt der vierjährige Junge: „Ich habe Fieber, mir tut der Po weh.“ Hat der Junge das vielleicht nur gesagt, weil er nicht mit spazieren gehen wollte? Die „Zartbitter“-Mitarbeiterin soll den Jungen nun gefragt haben: „Was kriegst du denn, wenn du Fieber hast?“ Angesichts der Aussage des Jungen ist dies eine eigenartige Frage. Später als Zeugin im Gerichtsverfahren wird die Freundin angeben, dass sie erwartet habe, dass der Junge jetzt nach Süßigkeiten fragen würde. Warum nach Süßigkeiten? Nun soll der entscheidende Satz des Jungen gefallen sein: „Rainer hat mir den Finger in den Po gesteckt.“ Rainer (Möllers) ist der einzige männliche Erzieher in dem Kindergarten.
Die Eltern glauben der Mitarbeiterin der Beratungsstelle, dass hier ohne jeden Zweifel sexueller Missbrauch stattgefunden haben müsse. Die Möglichkeit, dass gar kein sexueller Missbrauch stattgefunden hat, sondern der Erzieher beispielsweise in einer Rangelei mit seiner Hand zufällig den Po des Jungen berührt haben könnte, wird nicht in Betracht gezogen. Die Mitarbeiter von „Missbrauchs“-Organisationen stellen sich damals und teilweise noch heute einseitig und bedingungslos auf die Seite der sich oft gar nicht eindeutig äußernden Kinder und lassen keinen Zweifel zu. Es folgte kein aufklärendes Gespräch zwischen der Mutter des Kindes und dem Erzieher. Der Junge besucht weiterhin vier Monate lang den Kindergarten. Die Zartbitter-Frauen und die Eltern entwickeln eine Strategie gegen Reinhard Möllers, weil sie den Missbrauch weiterer Kinder vermuten und den Erzieher überführen wollen. Verschiedene Mitarbeiter werden nach und nach unter dem Siegel der Verschwiegenheit in den Verdacht
eingeweiht. Wenn ein Kind auf dem Schoß des Erziehers saß, wird das jetzt in einem neuen Licht gesehen. Verhaltensweisen, die ihn vorher zu einem besonders fähigen und warmherzigen Erzieher gemacht hatten, wurden nun als Beleg für „sexuellen Missbrauch“ angesehen. Rainer Möllers wird nicht zu den Vorwürfen angehört und kennt die Vorwürfe auch nicht. Erst am 7. März 1991 kommt es zu einem sogenannten „Konfrontations-Gespräch“ mit Rainer Möllers. Rainer Möllers wird als Täter und nicht als Verdächtiger angesehen. Er wird gefragt, was er gefühlt habe, als er dem Jungen den Finger in den Po gesteckt habe. Ob der Vorwurf überhaupt stimme, wird er nicht gefragt. Rainer Möllers versteht den Vorwurf nicht und weint. Die Mitarbeiter lassen in sich keinen Zweifel zu und entlassen den Erzieher fristlos.
Fünf Tage später informieren die „Zartbitter-Expertinnen“ die Eltern der übrigen Kinder über die Vorwürfe gegen Rainer Möllers. Und sie informieren die Eltern darüber, was bei Kindern angeblich Anzeichen von „sexuellem Missbrauch“ sein kann. Erste Eltern berichten daraufhin, dass auch sie Stress beim Fiebermessen bemerkt hätten. Weitere Eltern sind sich sicher, dass der Erzieher auch ihren Kindern den Finger in den Po gesteckt habe. Eltern stellen Entzündungen und Haarrisse im Genitalbereich fest (was aber nicht stimmte). Einige Eltern beginnen, Verhaltensweisen ihrer Kinder aus der Vergangenheit und Gegenwart auf „sexuellen Missbrauch“ von Rainer Möllers zurückzuführen. Die Eltern befragten ihre Kinder und tauschten sich gegenseitig und mit den Erziehern aus. Auch die Kinder sprechen untereinander über die Verdächtigungen und Gerüchte. Angeleitet durch die Zartbitter-Beratungsstelle fertigen die Eltern Protokolle an, lassen Tonbänder mitlaufen, interpretieren Zeichnungen. Unanständige Ausdrücke werden protokolliert. Viele Kinder werden nun auf Veranlassung des städtischen Jugendamtes, denen man die Ermittlungen übergibt, ihren Eltern weggenommen und in Heime gesteckt. Mehrere Väter gerieten völlig unschuldig in Verdacht und wurden diesen falschen Verdacht nie wieder los.
Wer es wagte, Zweifel an den Vorkommnissen zu äußern, wurde als Verharmloser und Feind angesehen. Die Kinder wurden so befragt, dass vorher gefasste Überzeugungen bestätigt werden sollten. Auch der Kindergarten, bei dem Rainer Möllers vorher arbeitete, wird über die Angelegenheit informiert. Es wird Strafanzeige bei der Polizei erstattet, diese wiederum verschickt Fragebögen zu den „Vorfällen“ an die Eltern. Die Vorwürfe breiteten sich nun wie ein Flächenbrand aus. 200 Kinder werden befragt, 63 davon werden als Opfer des sexuellen Missbrauchs identifiziert. Die Kinder gaben an, permanent anal und vaginal vergewaltigt worden zu sein. Rainer Möllers habe den Mädchen Löffel und Bleistifte in die Scheide gesteckt und den Kindern Zahnbürsten und Spielzeugautos in den After geschoben. Es habe Geschlechtsverkehr auf dem Altar gegeben. Der Erzieher habe den Kindern in den Mund ejakuliert und sie gezwungen, Sperma und Kot zu schlucken. Der Erzieher habe Analverkehr mit Kindern vor anderen Kindern gehabt. Es wurde Zahncreme auf den Penis geschmiert und abgeleckt. Ein Kind wurde am Penis durch die Turnhalle geschleudert. Rainer Möllers habe eine Stange quer auf seinen steifen Penis gelegt und balanciert. Er habe Kinder gewürgt und ihre Köpfe auf den Betonboden geschlagen. Durch eine Unterhose habe er eine Nadel und ein Taschenmesser gesteckt und damit in den Penis des Kindes gestochen.
Der Psychologie-Professor Günter Köhnken schreibt später in einem Gutachten: „Es wird nicht gefragt, ob überhaupt etwas geschehen ist. Es geht nur noch darum, zu klären, welche Kinder betroffen sind.“ Weitere Erzieher, Zivildienstleistende, Reinigungskräfte, selbst Taxifahrer, die die Kinder zum Kindergarten gefahren hatten, wurden des „sexuellen Missbrauchs“ beschuldigt. Die Kinder berichten auch von Frauen als Täterinnen und von Fesselungen. Rainer Möllers sei Mitglied eine Mafia-Bande, die mit den Kindern Pornos drehe und diese verkaufe. Die Kinder berichten von zwei geschlachteten Frauen. Außerirdische wurden gesichtet. In der Turnhalle lasse sich auf Knopfdruck eine Fallgrube öffnen, in der sich Särge und Fledermäuse befänden. Tatsächlich wurde daraufhin der Turnhallenboden aufgerissen, aber nichts gefunden. Die Kinder behaupteten, Rainer Möllers habe ihnen angedroht, er werde ihre Eltern totzaubern und die Soldaten des Bundeskanzlers würden den Kindern den Kopf abschlagen, wenn sie nicht schweigen würden.
Der Psychiatrie-Professor Tilmann Fürniß reist an, um den Eltern „professionelle“ Unterstützung zu geben. Der Psychiater soll den Eltern geraten haben, ihre Kinder nicht zu fragen, was Rainer Möller getan habe. Um das Geheimnis zu brechen soll Fürniß die folgende Fragestellung empfohlen haben: „Was könnte Rainer mit euch gemacht haben?“ Diese Frage ist nach Einschätzung des späteren Gutachters Köhnken schlimmste Suggestion und eine „Einladung zum spielerischen Konfabulieren“.
Aus dem angesehenen Erzieher Rainer Möllers war in wenigen Wochen ein perverses SexMonster geworden, der acht Jahre lang seine Kinder bedroht, gequält und vergewaltigt hatte. Schließlich wurde Rainer Möllers für insgesamt 26 Monate in Untersuchungshaft festgesetzt und Anklage erhoben. Insgesamt wurden 487 Kinder befragt. Rainer Möllers soll laut
Anklageschrift 53 Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren in mehr als 750 Fällen von 1983 bis 1991 extrem pervers missbraucht haben. Objektive Beweise für die Anschuldigungen gab es nicht, es gab nur die mit suggestiven Befragungsmethoden gewonnenen Aussagen der Kinder, die häufig den Kindern suggerierte Projektionen der Erwachsenen waren.
In der Berichterstattung der Presse wurde Rainer Möllers fast immer vorverurteilt. Die Bild-Zeitung nennt Rainer Möllers schon vor Prozessbeginn einen „Kinderschänder“ und schreibt, er sei „Deutschland schlimmster Fall“. Nur die Journalisten Gisela Friedrichsen und Gerhard Mauz vermuteten eine wahnhafte Massenbeschuldigung, für die es keine reale Grundlage gäbe. Derartige Zweifel an den Taten wurden von der Zeitschrift Emma als „Verharmlosung der Sexualgewalt“796 angesehen, Giesela Friedrichsen wurde als „Mittäterin“ bezeichnet. An der Überschrift des damaligen Emma-Artikels erkennt man mit erschreckender Deutlichkeit den krankhaften Wahn der damaligen und noch immer bestehenden Pädophilie-Hysterie: „DIE MITTÄTERINNEN … und ein echter Täter. Sie geben sich alle Mühe zur Verharmlosung der Sexualgewalt. Er handelt.“ Aber wie konnte ein beliebter Erzieher acht Jahre lang derartig sein Unwesen treiben, ohne Spuren zu hinterlassen? Vermutlich weil überhaupt nichts geschehen war. Aus amerikanischen Massenbeschuldigungs-Verfahren ist bekannt, dass man Kinder suggestiv so befragen kann, dass sie alles sagen, was man von ihnen hören möchte.
Rainer Möllers gab an, dass kein Kind jemals von ihm missbraucht worden sei. Er war eher ein nachgiebiger Mensch mit reduzierter Durchsetzungsfähigkeit. In den Gutachten zu ihm finden sich keine Anhaltspunkte auf eine massive Störung, ohne die die ihm vorgeworfenen Taten nicht zu erklären wären. Und wie konnte es sein, dass die Kinder trotz all der Vorwürfe jahrelang gerne in den Kindergarten zu Rainer Möllers gingen und auch die vielen Kollegen und Eltern nie etwas bemerkt haben?
Die Hauptverhandlung beginnt am 13. November 1992. Die Eltern wollen eine Verurteilung und glauben noch immer an den großen Missbrauchsskandal. Von zentraler Bedeutung ist in dem Fall die Aussage des zu Beginn des Falles vierjährigen Jungen. Als der Junge im April 1991 von der Polizei befragt wurde, schilderte er einen anderen Hergang: Er hätte immer die Hose angehabt und der Erzieher habe das durch die Hose gemacht mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Zwei Jahre später in der Hauptverhandlung ist in der Aussage des Jungen vom Fieber und vom Fiebermessen keine Rede mehr. Es sei bei dem Vorfall nichts Böses gewesen, die Kinder hätten in der Leseecke getobt, er habe eine lange Cordhose angehabt und der Erzieher sei so von draußen dranggekommen. Als der Richter nachfragt, sagt der inzwischen sechsjährige Junge: „Der ist nicht in die Hose rein, das war von außen.“
1990 waren für Zartbitter die öffentlichen Mittel eingestellt worden. Während des Prozesses fragte der Richter Klaus-Dieter Walden die Mitarbeiterin der Beratungsstelle: „Ist das alles wahr, oder ist das initiiert worden, um die Existenzberechtigung von `Zartbitter‘ zu gewährleisten?“ Die Zeugin bestreitet die angedeutete Vermutung des Richters und bricht in Tränen aus. An 120 Tagen wird über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren verhandelt. Es wurde kein Beweis für sexuellen Missbrauch gefunden. Trotz intensiver Suche war auch kein Film und kein Foto der angeblichen Pornoaufnahmen gefunden worden. Am Ende urteilt der Richter Walden: „Es ist nach zweieinhalb Jahren nicht gelungen, herauszufinden, was passiert ist und was nicht.“ Am 16. Mai 1995 wurde Rainer Möllers aus Mangel an Beweisen freigesprochen. In der mündlichen Urteilsbegründung hieß es: „Das erschütternde Ergebnis dieses Verfahrens ist, daß man Kindern auf diesem Gebiet etwas suggerieren kann, was sie dann als tatsächlich Erlebtes erinnern …“. Viele Kinder sind auch nach dem Prozess noch in therapeutischer Behandlung. Der Erzieher wirkte am Ende des Prozesses gebrochen. Für die 26 Monate Untersuchungshaft erhielt er eine Entschädigung von 20 Mark pro Tag. Während des Prozesses war einem seiner Verteidiger von einer Zeugin, die mit dafür verantwortlich war, dass Rainer Möllers in Verdacht geriet, zugerufen worden, dass sie ihm nicht wünsche, dass eines seiner Kinder missbraucht würde. Der Verteidiger antwortete darauf mit dem letzten Satz in seinem Plädoyer: „Ich möchte niemandem wünschen, zu Unrecht des sexuellen Mißbrauchs verdächtigt, beschuldigt und angeklagt zu werden.“
Wie beschrieben verbergen sich also hinter dem angeblichen Kinderschutz vor „sexuellem Missbrauch“ häufig ganz andere Motive, und auf das Wohl der realen Kinder wird dabei oft keine Rücksicht genommen. Die Nicht-Beachtung des Kindeswohls zeigt sich auch sehr eindrücklich in einem Fall von 1974 aus Holland, von dem der Psychologe Edward Brongersma berichtet: „Ein 13-jähriger Junge wurde von 9 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags in einer vergitterten Zelle in einer Polizeistation verhört, um aus ihm Beweise herauszulocken. Er blieb hartnäckig bei seiner Version, dass nichts passiert sei, bis der Untersucher sagte, „Gut. Wenn du weiterhin lügst müssen wir deinen Freund laufen lassen. Aber dein Vater hat mir gesagt, dass er dem Kerl auflauern und ermorden wird. Dann ist dein Freund tot und dein Vater bekommt 15 Jahre Knast für Mord. Und das alles weil du andauernd lügst.“ Daraufhin sagte der Junge alles, und brach danach psychisch völlig zusammen.“
Häufig geht es jenen Personen, die sich besonders vehement gegen den „sexuellen Missbrauch“ von Kindern wenden, primär nicht um das Wohl der Kinder, sondern um die Bekämpfung und Vernichtung pädophiler Menschen. Es geht nicht um die Gefühle und die Würde der Kinder, sondern um das Ausleben von archaischem Hass. Griesemer: „Es geht also nicht eigentlich um die „Kinder“. Es geht darum, Täter zu hängen.“ Und der Dramatiker Arthur Miller beobachtete schon bei anderen Hexenjagden: „Menschen haben den unangenehmen Drang, sich einer einmal begonnenen Hatz anzuschließen!“ [Hervorhebung nicht im Original]
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